Fragen an den Autor

veröffentlicht in der Anthologie "Von Abraham bis Zwerenz", Cornelsen Verlag Berlin 1995

Wie geht es Ihnen nach der Vereinigung beruflich ?

Seit 1990 finde ich trotz einiger Versuche keine Publikationsmöglichkeit für eigene Manuskripte. Übertragungsaufträge sind entfallen. Ich versuche, eine große Anzahl alter Texte in zwei oder drei vorzeigbaren Manuskripten anzuordnen. Es handelt sich um Gedichte, die von den DDR - Verlagen abgelehnt oder ihnen gar nicht angeboten wurden. Der Inhalt ist überwiegend satirisch: gereimte Ungereimtheiten des nicht mehr real existierenden Sozialismus, Reflexionen des Lebens in der DDR. Bei meinen öffentlichen Lesungen erfahre ich ein gutes Echo, auch im Westen des Landes. Neben der Sichtung und Sammlung der alten Sachen entstehen Entwürfe zu Versen, die man gut mit der Überschrift "Bilanz - Lyrik" versehen kann. Alters - induziert vielleicht, "der Jahreszeit der Jahre angemessen", drängt sich mehr und mehr das Thema der Lebens - Endlichkeit in die entstehenden Reime. Meine bisherigen Bücher werden nicht mehr gedruckt. Die Hoffnung, einen Verlag zu finden, ist gering.

Was ließe sich verändern, verbessern ?

Ich beschränke mich auf ein Beispiel aus dem editorischen Bereich. Der Ostberliner Verlag "Volk und Welt" besaß ein großes Potential an Wissen, Erfahrung, Verbindung im Hinblick auf die Literatur Polens, Rußlands, der Tschechischen und Slowakischen Republik, der Baltischen Staaten, Georgiens, Armeniens. Durch Entlassung fast aller Lektorinnen und Lektoren, die diese Regionen betreuten, verlor der Verlag zum Schaden der "Ost" Literatur eine seiner besten Fähigkeiten. Ich wünsche mir eine Neubelebung der "Volk und Welt" - Tradition, gar eine stärkere östliche Tendenz, somit eine bessere Präsentation der Literatur der genannten Länder.

Wie schätzen Sie die Solidarität unter deutschen Schriftstellern ein ?

Diese Frage kann ich nicht beantworten, da ich kaum zwei deutsche Schriftsteller persönlich kenne und dem VS oder ähnlichen Vereinigungen nicht angehöre; auch war ich kein Mitglied des DDR-Schriftstellerverbandes.

Was stellten Sie sich zu Beginn der Vereinigung als Zukunft vor - was wurde daraus ?

Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und nach dem Zerfall der Parteidiktaturen jenseits von Oder, Neiße und Elbsandsteingebirge, dachte ich, müsse sich der europäische Einigungsprozeß nach Osten ausweiten und rasch voranschreiten. Leider sehe ich nur zögerliche Integrationsschritte in dieser Richtung. Im Herbst 1989 und im Frühjahr, noch im Sommer 1990 wollte ich mit vielen Mitgliedern der Bürgerbewegung für die Vereinigung Deutschlands das Fundament einer neuen Verfassung. Ein bloßer Beitritt der DDR zur Bundesrepuplik Deutschland erschien uns in Anbetracht des vierzig Jahre lang unterschiedlich gelebten Lebens fragwürdig, als höchst problematisch, als unmöglich. Aus dem einen Bei - Tritt ist viel Auseinander - Gehen entstanden, unnützerweise, letztlich aber nur vorläufig. In einigen Jahren wird man sagen können: Ja, es wurde etwas daraus.

Biografische Daten
Autobiografische Notizen
Bibliografie
Fragen an den Autor
Gedichte
Vertonungen

Erinnerungsveranstaltung